8.6.2015

Initiative Buchhandel

Ich bin erst neulich auf die Werbeaktion des Börsevereins des Deutschen Buchhandels aufmerksam geworden.

Nicht nur der Spruch ist hochgradig sinnfrei, sondern die ganze Aktion.

Denken wir doch kurz darüber nach. Während Amazon von Jahr zu Jahr eine Innovation nach der anderen raushaut, fällt der Buchhandlung nichts besseres ein, als zu jammern und Menschen aufzufordern, in einem lokalen Buchladen einzukaufen. Damit es dem Buchhandel gut geht.

Und was ist mit mir, dem Leser?

Statt auf dem Sofa das Buch erst zu blättern und anschließend zu bestellen und am nächsten Tag bequem geliefert zu bekommen, sollte ich:

  • mich in die Bahn setzten und die Fahrt durchschwitzen (oder zu frieren, je nach Jahreszeit)
  • im Laden das Buch erst mal suchen und wenn nicht vorhanden, eine Bestellung aufgeben um das Buch später abzuholen (also noch mal zu fahren)
  • anschließend an der Kasse Schlange stehen
  • und danach das Buch nach Hause selbst bringen

Alles zum gleichen Preis wie bei Amazon, wo die ganze Prozedur mich ca. 2 Minuten kostet.

Ist es das, was “Bücher ans Herz legen” bedeutet? Das letzte mal, als ich in der Buchhaltung war, wurde mir ganz gewöhnlich ein Verkaufsgespräch angedreht.

Ich könnte wetten, jemand bei dem Börsenverein ärgert sich insbesondere darüber, dass Amazon sich an die Buchpreisbindung halten muss und das Versandproblem gelöst hat. Der Buchhändler würde gerne die gleiche Leistung wie vor 400 Jahren per Hand erbringen und es als Herzarbeit verkaufen.

Die Bahn kann nicht ewig überteuerte Dienstleistung erbringen — die Mitfahrgelegenheit und Fernbusse revolutionieren diesen Markt um auf meine Bedürfnisse besser einzugehen. Das ist dem Flugbusiness schon lange passiert mit Billig-Airlines. Noch wehrt sich die Taxi-Lobby in Deutschland erfolgreich gegen die Innovation von Uber und zieht mich mit jeder Fahrt schamlos ab. Wie oft kriegt man dabei einen höflichen und freundlichen Taxi-Fahrer, der garantiert die kürzeste und günstigste Strecke fährt? Mein letzter Fahrer hat mich gleich nach Fahrtbeginn darauf hingewiesen, dass er nicht zu einer Unterhaltung mit mir verpflichtet sei. Ouuuukaay…

Welche Erfahrung bietet mir der Buchhandel, ausser dass ich die Bücher selbst abholen darf? Was unterscheidet die Erfahrung vom Kauf bei Amazon, ausser dass es mich mehr Zeit kostet?

Warum bemüht sich der Buchhandel nicht, sich selbst umzudenken? Warum versucht der Buchladen nicht mehr und anders zu werden, als früher? Ein Restaurant ist schließlich auch kein Lieferdienst und das ist es, was die Erfahrung ausmacht. Wenn ich schnell und billig essen will, bestelle ich mir eine Pizza nach Hause. Wenn ich ein besonders leckeres vietnamesisches Essen zusammen mit meiner Frau nicht auf der Couch geniessen möchte, fahre ich in die Stadt.

Was noch ausser Selbstabholung bietet mir der Buchladen? Kostenloses Wifi? Besonders bequeme Sofas zum Lesen? Interessante regelmäßige Vorträge? Autorenlesungen? Vielleicht einen Kaffee zum Lesespass?

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